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Gegen den Hass

Empathisch und differenziert:

Am 23. Oktober 2016 erhielt die Journalistin und Publizistin Carolin Emcke den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Emcke, so die Begründung der Jury, leiste mit ihrem Werk einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Dialog und zum Frieden, wobei ihre Aufmerksamkeit besonders jenen Momenten gelte, in denen das Gespräch abzubrechen drohe oder gar nicht mehr möglich erscheine.

Die Methode, mit der Emcke die Welt beschreibt, bezeichnet die Jury als "analytische Empathie". Wie diese aussehen und was sie bedeuten kann, lässt sich gut in dem 2016 erschienenen Buch Gegen den Hass nachvollziehen.

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Das Buch legt den Finger so richtig in die Wunde. Beziehungsweise gleich in mehrere: Im ersten Teil, Sichtbar-Unsichtbar, geht es um Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Institutionellen Rassismus. Im zweiten Teil, Homogen-Natürlich-Rein, beschreibt Emcke das Einteilen von Menschen in Kategorien, die Erschaffung eines "Wir" und "Die Anderen" und die Kriterien und Mechanismen, derer sich Exklusion und Hass in unterschiedlichen Kontexten bedienen. Der dritte und letzte Teil des Buches, Lob des Unreinen, verhandelt letztlich die Frage, wie das "Wir" einer pluralen Gesellschaft eingefordert, fundiert und verteidigt werden kann.  

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In den klaren Aufbau wie ein roter Faden verwoben sind literarische Bezüge, die allesamt die Fähigkeit zu differenzieren illustrieren. Genau diese stellt Carolin Emcke nämlich in den Mittelpunkt ihres Buches. Sie wird gewissermaßen die notwendige Bedingung eines demokratischen "Wirs". Immer wieder wechselt die Autorin ihre Perspektive und hinterfragt so eingefahrene Denkmuster und festjustierte Blickwinkel.

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In der Synthese kommt sie dann zu folgendem Ergebnis:

"Individualität ist nur im Mit- und Füreinander erkennbar und realisierbar. Allein ist niemand einzigartig, sondern nur allein." (S.192 f.) Ihr geht es folgerichtig um eine Pluralisierung der Perspektiven und das Einüben von Perspektivwechsel und Einfühlung. Und, als wirkmächtiges Werkzeug, um das Wahrsprechen (zurückgehen auf Michel Foucault), ein Sprechen, das mächtige Meinungen und Positionen kritisiert, das riskant für den oder die Sprechende(n) ist und das seine Kritik und Ideen ausbuchstabiert und diskutiert.

 

Analytisch und empathisch betont Gegen den Hass die Notwendigkeit von Vorstellungskraft, Reflexionsräumen, Differenzierung und aus der Geschichte erlernten und mit kritischem Geist durchdrungenen Werten, um Hass und Fanatismus begegnen und eindämmen zu können.  

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Carolin Emcke, "Gegen den Hass", S. Fischer Verlag, 8. Auflage 2016, 13. Oktober 2016.

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