Feine Sahne!
Kulturarbeit ist Demokratiearbeit - in Sachsen-Anhalt machen Bauhaus und Theater davon zurzeit mehr als die Landesregierung
Das Anhaltische Theater Dessau hat seine Haltung korrigiert: Die Band Feine Sahne Fischfilet darf nun - statt im Bauhaus Dessau - für die Reihe zdf@bauhaus im Theater auftreten. Das Bauhaus seinerseits hatte die Veranstaltung abgesagt, statt dem ZDF wie bislang für seine kleinen Konzerte eine atmosphärische Bühne zur Verfügung zu stellen.
Die Pressemitteilungen lesen sich wie ein spannender Kurzkrimi. Das Bauhaus begründete die Absage an ZDF und Feine Sahne Fischfilet am 18.10. folgendermaßen: "Unmittelbar nach der Veröffentlichung dieses Konzertes und des Vorverkaufes konnte die Stiftung Bauhaus Dessau in den sozialen Medien beobachten, dass sich rechte Gruppierungen aus dem regionalen Umfeld gegen den Auftritt der Band am Bauhaus Dessau mobilisieren. Das Bauhaus Dessau ist historisch und zeitgenössisch ein Ort für alle Menschen unabhängig von Herkunft, Geschlecht und Nationalität. Politische extreme Positionen, ob von rechts, links oder andere finden am Bauhaus Dessau keine Plattform, da diese die demokratische Gesellschaft – auf der auch das historische Bauhaus beruht – spalten und damit gefährden. Im März 2017 fand vor dem Bauhaus Dessau bereits ein Aufmarsch von über 120 Neonazis und Rechtsradikalen statt. Damals gab es keine rechtliche Möglichkeit einer Gegenwehr. Um nicht erneut zum Austragungsort politischer Agitation und Aggression zu werden, auch vor dem Hintergrund des Status als UNESCO-Welterbe, hat die Stiftung Bauhaus Dessau in Berufung auf ihr Hausrecht das ZDF aufgefordert, das Konzert abzusagen.” Diese Pressemitteilung ist auf den ersten Blick nachvollziehbar, beim erneuten Lesen aber inkonsistent. Die vier angeführten Hauptgründe “Mobilisierung von rechts”, “keine Plattform für extreme Positionen”, “schlechte Vorerfahrung” und “Denkmalschutz” sind interessanterweise kaum miteinander verknüpft und verweisen - wenn noch einmal kritisch befragt - auf aufschlussreiche Lücken in der Argumentation: Wenn das Bauhaus ein Ort für “alle Menschen” ist, warum können dann extreme Drohgebärden die Offenheit dieses Ortes beeinflussen? Ist die Band Feine Sahne Fischfilet eine linksextremistische Band, deren extreme Positionen nur eine Plattform suchen? Warum war der Neonaziaufmarsch 2017 so traumatisch, dass nun schon die Möglichkeit der Wiederholung eines solchen Szenarios zu Konzertabsagen führt? Und wie hat die Landesregierung sich bislang eigentlich positioniert?
Der zweite Akt: Die Pressemitteilung am folgenden Tag wird deutlicher: Man beobachte seit einiger Zeit, dass das Bauhaus mehr und mehr zur Projektionsfläche rechtspopulistischer Aktionen werde: "In den sozialen Netzwerken wird das Bauhaus zunehmend instrumentalisiert und nicht zuletzt in dieser Woche fand sich ein Hakenkreuz vor dem Gebäude, dass [sic] wir zur Anzeige gebracht haben.” Die Entscheidung habe vor allem das Ziel verfolgt, keine erneuten "medialen Bilder einer gespaltenen zerrissenen Gesellschaft" zu ermöglichen. "Dies steht auch im Kontext jener polarisierten gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, die in den vergangenen Monaten das Bild Ostdeutschlands geprägt haben." Der Grund, nicht mit negativen Bildern einen unverantwortlichen Stereotyp Ostdeutschlands mit zeichnen zu wollen, ist essentiell. Hier, in einem Teilsatz übernimmt das Bauhaus Verantwortung und kritisiert gleichzeitig eine Medienberichterstattung, die eher plakatiert als erklärt, wenn es um Ostdeutschland geht. Implizit schwingt mit, dass diese “medialen Bilder einer gespaltenen Gesellschaft” die Realität nicht treffen, sie aber negativ beeinflussen.
- Intermezzo. Auch das Anhaltische Theater Dessau springt nicht als Bühnengeber ein. Es folgt noch mehr öffentliche Kritik in (über)regionalen Zeitungen -
Dritter Akt: Zwei ungefähr zeitgleiche Entwicklungen. Das Anhaltische Theater stellt seine Bühne doch zur Verfügung. Und: Das Bauhaus verstummt nicht: "Wir bedauern es sehr, mit unserer Absage des Konzertes von Feine Sahne Fischfilet die Öffentlichkeit enttäuscht und in der Pressemitteilung das Bauhaus als unpolitisch dargestellt zu haben.” Dies ist vielleicht in der ersten Pressemitteilung der Fall, in der zweiten aber nicht. "Nachdem rechtsextremistische Gruppen gegen das Konzert mobilisiert haben, hat die Direktorin in Abstimmung mit dem Träger der Stiftung Bauhaus Dessau, dem Land Sachsen-Anhalt, aus Verantwortung für das Gebäude gegen das Konzert entschieden. Und um den Neonazis keine Plattform zu bieten. Durch die öffentliche Aufmerksamkeit ist allerdings das Gegenteil geschehen [...] Zeit seines Bestehens war das Bauhaus durch Krisen und Existenznöte bedroht, weil es als offene, freie künstlerische Institution für eine moderne demokratische Gesellschaft stritt. Was bedeutet dieses Erbe für uns als Kulturinstitution heute? Wir wollen in den kommenden Wochen die Kritik, vor den Rechten eingeknickt zu sein, zum Anlass nehmen, eine öffentliche Debatte darüber zu führen, wie wir uns heute für eine offene Gesellschaft und gegen Ausgrenzung engagieren.”
Diese Ziele treibt auch das Anhaltische Theater an, das in seinerseits in der Pressemitteilung vom 22.10. schreibt: "Nach der heftigen öffentlichen Diskussion um den abgesagten Auftritt der Band Feine Sahne Fischfilet hat die Theaterleitung verstanden, dass der Diskurs über Kunst nur geführt werden kann, wenn die Kunst sich unbedingt in aller Freiheit präsentieren kann. Die abschlägige Antwort auf eine kurzfristige Anfrage der Medien war schlecht überlegt und falsch. Daher hat das Theater Kontakt mit der Band aufgenommen, um Entschuldigung gebeten und den Akteuren in Dessau, die sich um einen alternativen Spielort bemühen, Hilfe und Beteiligung, sei es im Theater oder anderswo, angeboten. Die Stadt unterstützt es bei der Raumfindung und begrüßt den Auftritt in ihren Mauern. Als das heutige Gebäude des Theaters errichtet wurde, wurden Künstler gegängelt, an der Ausübung ihres Berufs gehindert und massenweise vertrieben, verschleppt und getötet. Dem Theater ist bewusst, dass Versuchen, die Kunst zu behindern, jederzeit entgegengetreten werden muss. Auch und gerade in der politischen Auseinandersetzung. Und auch kurzfristig. Der Auftritt wird am 6. November in Dessau stattfinden. Näheres werden die Veranstalter in Kürze mitteilen. Auch beim Publikum bitten wir um Entschuldigung für die viel zu lange Leitung.”
Auf facebook kann man beobachten, wie kontrovers - und bisweilen wenig differenziert oder wenigstens höflich - die Entscheidung und auch Selbstkritik des Theaters diskutiert wird. Dabei lassen sich einige spannende Beobachtungen zu Politik in den digitalen Medien anstellen, aber hier sei etwas anderes entscheidend: "Dem Theater ist bewusst, dass Versuchen, die Kunst zu behindern, jederzeit entgegengetreten werden muss.”
Diese Behinderung findet natürlich statt, wenn extremistische Gruppierungen unter Androhung von (Sach)beschädigung eine Band von einem Konzert abhalten. Man kann Feine Sahne Fischfilet sicher gut kritisieren, aber nicht wenn man sie nie gehört hat, keinen Text kennt, die Bandgeschichte nicht einbezieht und sie per se dafür verurteilt und bedroht, sehr “links” zu sein.
Kunst und Kultur werden aber auch behindert, indem seit 2014 die jährlichen Landeszuschüsse an das Anhaltische Theater um 3 Millionen Euro reduziert worden sind. Das Schauspielensemble des Theaters ist halbiert, auch Oper- und Ballettensemble sind stark verkleinert worden. Und, das kann man kaum genug hervorheben, alle Mitarbeitende an diesem Theater verzichten auf zehn Prozent ihres Gehaltes und machen dennoch sehr viel mehr als Dienst nach Vorschrift. Wie Kai Agthe in der Mitteldeutschen Zeitung klar analysiert hat, gibt es an diesem Theater nichts mehr zu sparen, wenn man dieses Haus erhalten will. Hier sollte die Landesregierung Sachsen-Anhalts endlich ihre demokratische Verantwortung wahrnehmen und mit ihrer Sparpolitik und ihrem Personalinterventionismus im Kulturbereich nicht weiterhin die demokratische Gesellschaft gefährden. Und auch “die Medien” sind ganz klar gefordert, besser zu berichten, regional wie überregional.
Also, Zeit sich aus den scheinbar starren Akten politischer Sachzwänge zu lösen.
Open Stage -alle willkommen. Das Bauhaus, hoffentlich in Schulterschluss mit dem Anhaltischen Theater, bietet hier eine Möglichkeit:
"Wir nehmen die Rückmeldungen auf unsere Entscheidung ernst und laden daher zeitnah zur Debatte Bauhaus, Politik und Extremismus ein.” Genau hier, in Dessau, Sachsen-Anhalt, Ostdeutschland, brauchen wir guten Journalismus und konstruktive Kommunikation. Es hilft, zu berichten von dem, was die Debatte offenlegt in diesem überhaupt nicht in eine Schublade zu steckenden "Ostdeutschland". Unsere Gesellschaft braucht Mut zur Differenzierung, das heißt Mut zum Zuhören mit offenen Ohren und offenem Geist. Eine gesunde Demokratie sollte sich nicht vorrangig dafür interessieren wer oder was “rechts” und was “links” ist, was “Ost” und was “West” (ja, auch weltpolitisch nicht..) sondern sich darum bemühen, daran mitzuwirken und transparent zu machen, mit welchen Argumenten was warum getan wird. Klingt ein bisschen verkopft? Anstrengend? Idealistisch? Ja. Ist aber ganz ganz feine Sahne.